Offener Brief des VSG: „Wieviel darf Bildung kosten?“

VEREIN SCHWEIZERISCHER GYMNASIALLEHRERINNEN UND GYMNASIALLEHRER
SOCIETE SUISSE DES PROFESSEURS DE L’ENSEIGNEMENT SECONDAIRE
SOCIETÀ SVIZZERA DEGLI INSEGNANTI DELLE SCUOLE SECONDARIE

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An die kantonalen Parlamentarierinnen und
Parlamentarier und an alle Kantonsregierungen

Wieviel darf Allgemeinbildung kosten?

Sehr geehrte Damen und Herren
Vor den Wahlen hört man: „Bildungskosten sind Investitionen, nicht Konsumausgaben.“ Nach den Wahlen wird trotzdem auch im Bildungswesen gespart. Doch nicht überall gleich: Die Statistik1 zeigt, dass – teuerungskorrigiert – seit 1990 die Berufsbildung 20% mehr kostet, der Tertiärbereich gar 50%. Wir können diese Entwicklung nachvollziehen. Es bereitet uns allerdings Sorgen, dass für die Schülerinnen und Schüler der Allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe II2 pro Person 20% weniger zur Verfügung steht als 1990! Das hat man unter anderem durch Kürzen der Unterrichtszeit und Ausdünnen der Betreuung erzwungen. In letzter Zeit ist Kritik an der Qualität der gymnasialen Maturität laut geworden – zweifellos eine der Folgen dieser Sparpolitik.

Dass die Allgemeinbildung nicht noch mehr gelitten hat, ist den Lehrerinnen und Lehrern zu verdanken. Sie haben trotz grösserer Klassen Innovationen eingeführt, beispielsweise die Maturarbeit. Doch dafür sind sie nicht honoriert, sondern bestraft worden: Während die Durchschnittslöhne real um 4% zunahmen, sind von 1993 bis 2003 diejenigen für Lehrkräfte der Sekundarstufe II um 6,6% zurückgegangen3 . Dazu kommen Verschlechterungen bei Pensionskasse und am Arbeitsplatz, knappe Pensen für Einsteiger usw. Wir fragen: Soll der Beruf des Mittelschullehrers noch unattraktiver werden, als er gemäss einer UNIVOX-Studie4 ohnehin schon ist? Sollen junge, talentierte Akademikerinnen und Akademiker den Lehrerberuf meiden? Die Zeche würden die zukünftigen Studienanfängerinnen und -anfänger der Universitäten und Fachhochschulen zahlen.

"Bildung ist unser Rohstoff", glauben auch wir. Deshalb fordern wir Sie, sehr geehrte Damen und Herren, auf

  • von weiteren Sparmassnahmen bei der Allgemeinbildung abzusehen und
  • zusammen mit den Verbänden Massnahmen zu planen und zu verwirklichen, die die Attraktivität des Lehrerberufs wieder herstellen.

Wir danken Ihnen, für das Verständnis, das Sie unserem Anliegen entgegenbringen. Wir setzen darauf, dass Sie entsprechend handeln werden.

Mit freundlichen Grüssen
Hans Peter Dreyer, Präsident VSG

Dieser Text wurde von der Delegiertenversammlung des VSG am 5. Oktober in Zürich genehmigt.

1 Bundesamt für Statistik, Öffentliche Bildungsausgaben, www.bfs.admin.ch
2 Gymnasien und Fachmittelschulen
3 Quelle: Bildung Schweiz, 9 2005, p.19, Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, Zürich
4 Image, Sozialstatus und Attraktivität der Lehrberufe, UNIVOX-GfS, Genf 2005