Die Position des KMV zu HarmoS

Stellungnahme zu HarmoS

Die neuen Bildungsartikel für die Bundesverfassung wurden vom Volk am vergangenen 21. Mai mit überwältigendem Mehr angenommen. Damit ist der Weg frei für eine Harmonisierung der obligatorischen Volksschule, die durch das HarmoS-Konkordat der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) realisiert werden soll. Das bedeutet in der aktuellen Terminologie, dass der Kindergarten (oder auch Eingangsstufe genannt) 2, die Primarschule 6 und die Sek I 3 Jahre dauern wird. Über die Dauer des gymnasialen Lehrgangs sagt HarmoS nichts aus, nachdem diese bereits in MAR 95 geregelt ist.

Auf den ersten Blick betrifft diese Vernehmlassung nur die obligatorische Schule. Jedoch werden die geplanten Massnahmen sich auch auf die nachfolgenden Schulen auswirken. „Bildungsstandards“ und „Bildungsmonitoring“ bleiben nicht auf die obligatorische Schulzeit beschränkt, sondern werden in absehbarer Zeit auch die Sekundarstufe II betreffen (in unserem Kanton vor allem mit Eprolog).

 Grundsätzliche Überlegungen  

Das HarmoS-Konkordat beabsichtigt, die Kooperation zwischen den Kantonen zu intensivieren und so den Bildungsstandort Schweiz zu stärken. Das ist grundsätzlich begrüssenswert. Allerdings ist eine gewisse Skepsis angebracht bei der Frage, ob die weitgehende Vereinheitlichung die Qualität der schulischen Ausbildung in den verschiedenen Kantonen nachhaltig verbessert wird.

Da das Projekt in erster Linie die Volksschule betrifft, beschränkt sich im Folgenden die Sicht auf diejenigen Punkte, die für die Mittelschulen tatsächlich relevant sind.

 Minimale Dauer des Gymnasiums: 4 Jahre  

Die universitären Hochschulen stellen hohe Anforderungen an die fachlichen und überfachlichen Kompetenzen ihrer Studienanfängerinnen und -anfänger. Die Gymnasien haben nach MAR den Auftrag, Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zur Hochschulreife zu führen und ihnen gleichzeitig eine breite Allgemeinbildung zu vermitteln. Das MAR sieht dafür eine minimale Dauer des gymnasialen Unterrichts von 4 Jahren vor. Die vorgesehenen 4 Jahre stellen deshalb ein absolutes Minimum dar, das nicht noch weiter aufgeweicht werden darf. Unverständlicherweise bietet das MAR den Kantonen hier gewisse Schlupflöcher, die auch in den Text des HarmoS-Konkordats übernommen wurden. Im Sinne der neuen Bildungsverfassung wäre aber nun der Moment gekommen, alle Kantone auf eine vierjährige Minimaldauer des Gymnasiums zu verpflichten.

mind. 4 Jahren Gymnasium: 21½ Kantone:
AG, AI, AR, BS, FR, GE, GL, GR, LU, NW, OW, SG, SH, SO, SZ, TG, TI, UR, VS, ZG, ZH, (BE)
davon Langgymnasium (6 J.): AI, GL, GR, LU, NW, OW, SO, UR, ZG, ZH
mit vorgängigem Progymnasium: BL, FR

3 ½ Jahren Gymnasium: 1 Kanton:
BL
mit vorgängigem Progymnasium (4 J.)

3 Jahren Gymnasium: 3½ Kantone:
JU, NE, VD, (BE)
mit vorgängigem Progymnasium: VD
BE: teilweise „spez. Sek.“ Ab 7. Schuljahr

 Zusätzliche Mittel für die Finanzierung der Reformen  

Die Ziele von HarmoS sind zu Recht ambitiös, insbesondere der Wille, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass jede Schülerin und jeder Schüler ohne jede Ausnahme in der Volksschule die Grundbildung erwirbt, welche es ihnen erlaubt, auf der Sekundarstufe II eine berufliche oder schulische Ausbildung mit Aussicht auf Erfolg in Angriff zu nehmen. Das HarmoS-Konkordat leistet einen wichtigen Beitrag zur Realisierung, indem es die Finalitäten der Grundschulbildung klärt und die Bereiche der Grundbildung kantonsübergreifend festlegt.

Entsprechend seinen ambitiösen Zielen sieht das Konkordat einen substantiellen Ausbau des Betreuungsangebotes (Blockzeiten, Tagesstrukturen) und eine elfjährige obligatorische Schulzeit vor. Dies wird zu erheblichen Mehrkosten führen. Doch sind dies zweifelsohne gut investierte Steuergelder, denn Investitionen ins Humankapital werfen erfahrungsgemäss hohe individuelle und gesamtwirtschaftliche Renditen ab.

Die Finanzierung der HarmoS-Reformagenda erfordert zusätzliche finanzielle Ressourcen. Bei den Kantonen wird die Versuchung jedoch zweifelsohne gross sein, die kostspieligen Reformen ohne entsprechende Erhöhung der Bildungsausgaben finanzieren zu wollen. Das wird nicht gehen. Zumindest nicht ohne Bildungsabbau in anderen Bereichen. Insbesondere dem Mittelschulbereich dürfen keine weiteren Mittel entzogen werden, denn, wie das Bundesamt für Statistik aufgezeigt hat, sind die Mittelschulen derjenige Bereich, in dem die Bildungsausgaben in den letzten Jahren gesamtschweizerisch am deutlichsten zurückgefahren wurden.

 Schnittstelle Volksschule-Mittelschule  

Damit die Mittelschulen ihre Schülerinnen und Schüler in relativ kurzer Zeit erfolgreich auf ein Hochschulstudium vorbereiten können, muss gewährleistet sein, dass diese beim Übertritt in die Mittelschule über vergleichbare, vor allem aber solide Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen. Voraussetzung dafür ist in erster Linie, dass allen Schülerinnen und Schülern der Volksschule während der ganzen Volksschulzeit ein vergleichbar guter und zielgerichteter Unterricht geboten und ihre Freude an der Leistung in allen Gemeinden gleichermassen gefördert wird. Ferner erfordert die Chancengleichheit eine vergleichbar gute Vorbereitung auf die Mittelschulaufnahmeprüfungen durch die öffentlichen Schulen. Dazu ist es zweifelsohne notwendig, dass die Lehrziele für alle eine hohe Verbindlichkeit haben.

 Schutz von Freiräumen  

Der Auftrag zu Zusammenarbeit und Koordination darf nicht zum Vorwand werden, im Schulbereich alles bis in die Einzelheiten zu regulieren. Lehrerinnen und Lehrer brauchen gesicherte Freiräume, um ihren umfassenden pädagogischen Auftrag erfüllen zu können. Das gilt sowohl für die Volks-, aber noch in vermehrtem Masse für die Mittelschulen. So darf ein standardisierter Test wie Eprolog nicht zu einem versteckten Lehrplan führen, der ein „Teaching-to-the-test“ nach sich zieht. Nur unter Voraussetzung von gewährleisteten Freiräumen behalten Lehrpersonen das für ihre anspruchsvolle Arbeit unerlässliche Verantwortungsbewusstsein gegenüber Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Verantwortungsbewusstsein und hohe Motivation waren stets eine der grossen Stärken der Mittelschullehrkräfte. Diese Stärke darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.

 Mitsprache der Lehrerschaft 

Die neue Bildungsverfassung sieht eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Kantonen vor. Die EDK wird dadurch markant gestärkt. Dieser unübersehbare Machtzuwachs führt zu einer klaren Exekutivlastigkeit, unerlässliche „Kontrollinstanzen“ werden fehlen. Deshalb kommt dem Ausbau der Mitsprache (auf kantonaler Ebene in Zusammenarbeit mit dem ED der KMV) sowie auf nationaler Ebene der VSG (mit der EDK) umso grössere Bedeutung zu, damit Bildungsstandards und Lehrpläne auch in Zukunft praxistauglich bleiben.

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