Apropos „freie Schulwahl“

Die Vorteile einer freien Schulwahl seien immens, höre ich immer wieder. Wo gewählt werden könne, würden die besten Lösungen auch die besten Chancen haben, wird allzumal verkündet. Glauben wir allen Ernstes, dass sich ein privates Unternehmen den marktwirtschaftlichen Sachzwängen entziehen kann? Dort geht es um Gewinnmaximierung – und darunter leidet zwangsläufig mindestens ein Bereich: z.B. die allgemeinen Bildungsziele, die Selektion der Schülerkundschaft, Infrastruktur, Kontinuität, die Lehrersaläre usw.

Hier, in den staatlichen Schulen, haben wir das Privileg, keinen Gewinn maximieren zu müssen. Das gerade ist die Errungenschaft einer 150-jährigen Institution, die permanent ihren Beweis erbringt, dass sie den Herausforderungen der Zeit gewissenhaft begegnet. Weshalb sollen wir dieses Erfolgsmodell aufweichen?

Gerade das Umgekehrte muss das gesellschaftliche Anliegen sein. Unsere staatliche Schule, welche über 90 Prozent der Jugend zu einem Abschluss auf der Sekundarstufe II bringt, welche zusammen mit der Wirtschaft unserem Land eine der tiefsten Jugendarbeitslosenquoten von Europa beschert, welche hervorragend ausgebildete Lehrkräfte an die Schulen entlässt, welche über eine hochstehende Infrastruktur verfügt – diese Schule muss gepflegt werden. Wir verfügen über die solidesten Grundlagen: die Volksschule mit mehrsprachigem, integrativem und individualisierendem Unterricht, die Berufsschulen mit praktischer und spezialisierter Berufsorientierung, die glänzenden Gymnasien mit ihrer zweisprachigen Matura und bestens ausgebildeten Akademikern. In welchem anderen Land unterrichten zum Beispiel Physiker Physik oder Mathematiker Mathematik? Zudem haben alle internationalen Studien der letzten Jahre ergeben, dass unsere staatlichen Schulen ihre Qualität trotz der durchgepaukten Sparmassnahmen aufgrund des besonderen Lehrereinsatzes halten konnten.

Wenn aber Geld verteilt werden soll, wie das die Vertreter der anderen Seite propagieren, dann schlage ich vor, dass dieses in die Weiterbildung der Lehrkräfte an staatlichen Schulen sowie in die Reduktion der Schülerzahlen pro Klasse investiert wird.  

Freier gleich besser? Diesen Beweis müsste man erst einmal anhand einer wissenschaftlich fundierten Analyse erbringen. Alles andere verkommt zu einem Mechanismus wie der Kaffeerahm auf den europäischen Autobahnen.

 

Mathias Gabathuler, Präsident KMV